Sonntag, 1. Mai 2011

Dies ist mein Job. Er bestimmt mein Geschlecht.

Die hierarchische Trennung von Frauen und Männern findet sich in vielen Teilen unserer Gesellschaft wieder. Ob es sich um das Objekt Frau am Werbeplakat oder das Subjekt Mann handelt, das sich in Gesprächen nicht unterbrechen lässt. Am auffallendsten zeigt sie sich der Unterschied bei der Berufswahl, dem Ansehen des Berufes und beim Gehalt. Den Entstehungsbedingungen dieser gravierenden Unterschiede ist Isolde Albrecht in ihrem 2008 erschienenen Buch „Sprache, Arbeit und geschlechtliche Identität“ auf die Spur gegangen.

Die Dominanz männlicher Berufsbezeichnungen schreibt Albrecht dem juristischen Gebrauch von männlichen Namen zu, der die Frau subsumiert, wodurch Frauen nicht als eigenständige Personen, sondern als vom Mann abgeleitete Objekte gesehen werden. Die Trennung zwischen der öffentlichen und der privaten Sphäre führt zudem dazu, dass die Tätigkeiten von Frauen immer nur von außen – durch den Blick der Öffentlichkeit – betrachtet werden. Verschärft wird dieser Blick durch die Tatsache, dass Bildung und wissenschaftliche Tätigkeit Männerdomänen darstellen. Theologen, Juristen und Pädagogen blicken von außen auf die Tätigkeiten von Frauen, analysieren diese und schreiben ihnen nur helfende, zuarbeitende und unterstützende Aktionsfelder zu.
Diese Beschreibungen haben nach Albrecht zur Folge, dass bestimmte Assoziationsketten mit Berufen in Verbindung gebracht werden. Mit dem Beruf der Technikerin/des Technikers werden zum Beispiel Verben wie planen, konstruieren, bauen in Verbindung gebracht. Dies zeigt sich auch bei „typischen Frauenberufen“, denen Assoziationsketten wie helfen, versorgen, pflegen – Worte aus dem Assoziationsbereich Mutter – anhängen. Der jeweilige Kontext, der individuelle Wortschatz und sprachliche Normen sorgen dafür, dass „Frauenberufe“ entwertet und als nicht so wichtig wie die des Mannes gesehen werden.

In einem weiteren Schritt analysiert Albrecht zwei Berufsfelder, die unterschiedlich geschlechtlich konnotiert sind. Das Berufsfeld Technik assoziiert die Wörter planen, konstruieren, herstellen, reparieren. Es sind dies Tätigkeiten, die männlich konnotiert sind. Das Tun der Arbeit wird in den Vordergrund gerückt und mit Fachvokabular ergänzend beschrieben. In den Beschreibungen wird genau aufgezeigt, was eine Person tun muss, die diesen Beruf ergreift. Anders verhält es sich mit dem Berufsfeld Sozialarbeit und Heilpflege. Die Beschreibungen dieser Berufsgruppe sind äußerst diffus und werden vor allem durch Worte wie pflegen, kümmern und sorgen dominiert. Die genauen Tätigkeiten, die anfallen, werden nicht näher beschrieben. Die Sprache bleibt in Alltagsfloskeln behaftet.
Die Berufsbeschreibungen folgen konventionellen Bedeutungen. Obwohl in allen Beschreibungen versucht wird gendersensibel zu formulieren und die Geschlechter Frau und Mann zu erwähnen, entwickeln die Texte eine stereotype Beschreibung beider Berufsgruppen.

Albrechts Analyse der historischen Bedingungen ist zielführend und regt zu weiteren Auseinandersetzungen mit der Materie an. Anhand der von ihr aufgestellten Thesen bietet sie ein Fundament, mit dem moderne Arbeitsbedingungen beleuchtet und hinterfragt werden können. Fragwürdig ist jedoch die Geschlechterbinarität, die Albrecht selbst in ihrem Text aufstellt. Bei der Beschreibung des Dipl.Ing.(FH) bemängelt sie die fehlenden sozialen Kompetenzen, die heutzutage als wichtig erachtet werden. Ihre Analyse strotzt vor Aufzählungen binärer Oppositionen und beim Lesen entsteht der Eindruck, dass ein simpler Vokabeltausch – ein bisschen mehr Rationalität für HeilpflegerInnen, ein Stückchen soziale Kompetenz für die TechnikerInnen – das Problem der Geschlechterbinarität und –hierarchisierung beseitigen könnten. Albrecht regt dazu an, eine Umformulierung der Berufsbeschreibungen anzustreben, liefert dafür aber weder Beispiele noch konkrete Angaben. Zudem ist Albrechts Sprache sperrig und verliert sich in wissenschaftlichem Fachvokabular. Das ist für den Prozess der Umsetzung hinderlich und regt nicht zur Weitergabe des Textes an jene Stellen, wie das AMS, das für Berufsbeschreibungen zuständig ist, an.

Quelle Albrecht, Isolde: Sprache, Arbeit und geschlechtliche Identität. Wie moderne Arbeitsbegriffe alte Geschlechtslogiken transportieren. Eine sprachgeschichtliche und psychologische Studie. Bielefeld: transcript, 2008. Hier: S. 317-358.

About

privater Blog von Ulrike Koch Sudoku-Liebhaberin, extensive Leserin, Schachspielerin, Feministin, Borderlinerin, ewige Studentin und vieles mehr

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

und dann war da noch
und dann war da noch dieser einer moment, der mich...
Ulrike Koch - 8. Jun, 20:55
Der Wetterhahn
Der Wetterhahn zeigt auf halbsechs. Schnell muss ich...
Ulrike Koch - 22. Mai, 20:24
Satz zum hier und jetzt
Schau nicht so, ich bin halt so. Krise, Baby? Auch...
Ulrike Koch - 22. Mai, 20:20
bleiben oder gehen
Züge rasen an mir vorbei. Hupende Autos, deren Fahrerinnen...
Ulrike Koch - 22. Mai, 20:16
Worttausch
später geradezu Ort, ich versuche zu modifizieren,...
Ulrike Koch - 22. Mai, 20:11

Suche

 

Status

Online seit 5621 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 8. Jun, 20:55

Credits


Beobachtungen
Bilder
Gedankensplitter
Musik
Rezensionen
Texte
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren