Mittwoch, 8. Juni 2011

und dann war da noch

und dann war da noch dieser einer moment, der mich sehr zum nachdenken brachte. ich dachte lange darüber nach. ich wog das für und wider ab. ich erstellte eine pro und contra liste. ich fragte in meinem umfeld nach rat.

du kannst darauf vertrauen! meinten die einen.

oje tu das ja nicht! meinten die anderen.

ich ging in mich, hielt klausur mit mir selbst. ich besuchte ein kloster, doch der ort war mir zu katholisch. ich besuchte eine einsame waldlichtung, doch der ort war mir zu idyllisch. ich besuchte einen lesesaal, in dem tiefe stille herrschte, doch das wissen um mich herum erdrückte mich.

ich ließ mir die karten legen, aus der hand lesen, meine sterne deuten, mein chi erforschen, mein inneres kind streicheln, meinen urschrei ausstoßen und mein karma befragen.

ich wusste noch immer nicht was ich tun sollte. ich werde es auch nie wissen. ich kann die zukunft nicht beeinflussen. aber ich kann sie mitgestalten.

ich befinde mich in einem fluß. die strömung ist sehr stark. ich kann mich mittreiben lassen. ich kann gegen die strömung schwimmen. ich kann mit der strömung mit schwimmen. nur untergehen darf ich nicht. ich würde sonst ein tabu aufbrechen. erwartungen zerstören.

und dann war da noch dieser einer moment, der mich sehr zum nachdenken brachte. und ich beschloss etwas zu ändern.

Dienstag, 24. Mai 2011

Satz zum hier und jetzt

Schau nicht so, ich bin halt so.


Krise, Baby?


Auch ich habe das Recht ohne Schuhe zu laufen.


Willst du nicht auch manchmal einfach getragen werden?


Bäume sind zum klettern da, nicht zum abholzen.


Konsumgenuss auf leichte Art.


Betrete nicht den Rasen, sondern liege darauf.


Mir reicht es mit den Unpolitischen.


Mist trennen und Recycling kennen.


Out of order - Vielfalt tut gut.

Der Wetterhahn

Der Wetterhahn zeigt auf halbsechs. Schnell muss ich nich meine Sachen zusammenpacken. Schnell gehe ich aus dem Haus. Schlüssel vergessen! Anläuten. Ja, der Schlüssel. Mist, nicht genügend Socken. Nich einmal zurück. Schnell, schnell. Socken holen, egal welche Farbe. Schnell raus. Verdammt! Ich habe nicht genug Geld. Bankomatkarte? Liegt in der anderen Tasche. Schnell hinein. Suchen. Kramen. Da ist sie. Schnell wieder hinaus. Knall nicht immer so mit der Türe! Ich habe keine Zeit mehr. Mein Ladekabel! Ich bin so vergesslich. Noch einmal hinein. Ja, ich muss mit der Türe so knallen? Wo ist das Kabel? Im Arbeitszimmer. Schnell wieder hinaus.

Punkt sechs Uhr, sagt der Wetterhahn, der in meinem Kopf steckt.

bleiben oder gehen

Züge rasen an mir vorbei. Hupende Autos, deren Fahrerinnen und Fahrer wütend schimpfen. Alles geht so rasend schnell hier. Die Straßen ziehen gerade Linien durch die Stadt, teilen sie in Abschnitte. Der nächste Zug rattert quietschend an mir vorbei. Glas, Beton, Stahl. Die Stadt trägt keine Farben. Das blasse Licht der Straßenbeleuchtung lässt die Häuserzeilen noch fahler, grauer, toter erscheinen.
Die Stadt ist tot, trotz des regen Lebens.

Ich wandle durch die Stadt hindurch als wäre ich ein Geist. Ich bin nicht ganz da. Ich passe nicht in diese Stadt. Sie ist zu schnell, zu laut, zu hektisch, zu grau.
Wieder ein Zug.

Doch die Stadt bietet mir mehr Möglichkeiten, mehr Chancen. Die Türen sind zwar stets verschlossen, doch stehen sie für mich auch offen. ich könnte mich hier entwickeln, reifen und zu einer schimpfenden, hupenden, rasenden Autofahrerin werden.

Langsam muss ich mich entscheiden. Will ich bleiben oder will ich gehen? Bleibe ich in der Stadt oder gehe ich zurück aufs Land. Mein Land.
Hier: Fremder Stein, fremdes Glas, fremder Stahl.
Dort: Mein Land.
Ich wende mich ab von diesem Grau und gehe den goldenen Sonnenstrahlen entgegen.

Worttausch

später geradezu Ort, ich versuche zu modifizieren, und es sei immer wieder vorgekommen, daß Sie ein Wort für ein anderes einsetzten...
Friederike Mayröcker: Die Abschiede


Einschnitte. Ausschnitte. Manipulation im Text. Worte werden ausgetauscht, umgesetzt, weggesetzt. Der Text wird in seiner Reinheit, in seiner Form beschnitten. Als wären Worte austauschbar.

Hier steht es. Genau hier steht es. Es ist die Wahrheit, die Realität, die Tatsache. Du kannst das Wort nicht einfach so aus seinem Platz lösen und durch ein anderes ersetzen. Du kannst nicht die Wahrheit verschleiern. Du musst dich der Wahrheit stellen und sie aushalten.

Ich kann die Wahrheit nicht ertragen. Ich will die Wahrheit nicht ertragen. Ich möchte, dass du dieses Wort austauscht. Ich möchte, dass du die Realität schön machst. Ich möchte mich nicht den Tatsachen stellen.

Verbiege dich. Pass dich an. Verändere dich. Modifiziere dich. Entwickle dich zu etwas, das du nicht sein möchtest. Stelle dich der Realität und sieh es ein: Du bist mit diesem Wort markiert, normiert, festgesetzt und beschrieben. Bis in die Ewigkeit.

Dienstag, 10. Mai 2011

Wenn ich groß bin, werde ich...

… wenn ich eine Frau bin im Einzelhandel oder als Frisörin tätig sein.
… wenn ich ein Mann bin in der Kraftwerkzeugtechnik oder in der Elektroinstallationstechnik arbeiten.

Dies sagt zumindest die Statistik aus dem Jahr 2006. Verändert haben sich diese Zahlen nur gering. Noch immer sind mehr Frauen in pflegenden und dienstleistungserbringenden Berufen tätig. Männer dominieren noch immer technische Berufe.
Eine Maßnahme, um dieser Trennung entgegen zu wirken, ist die geschlechterneutrale oder –gerechte Formulierung von Stellenausschreibungen. Diese sind seit 1985 in Österreich verpflichtend. Mittelfristig wird dabei die Trennung in klassische Frauen- und Männerberufe aufgehoben. Längerfristig wirkt sich dies auch auf die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern in gleichen Positionen aus. Doch nicht nur die Formulierung allein ist von Relevanz, sondern auch die Bilder, die begleitend eingesetzt werden. Hier dominieren leider immer noch Klischeevorstellungen und stereotype Darstellungen.

Auf kreative Art und Weise ist die SPÖ Wien an dieses Thema herangegangen. Katze_MedizinKatze_FeuerwehrIhre aktuelle Plakatkampagne zum Thema Ausbildung zeigt statt Menschen Katzen in unterschiedlichen beruflichen Positionen. Da gibt es eine Katze, die eindeutig dem Berufsfeld Medizin zugeordnet werden kann und eine, die für die Feuerwehr tätig ist. Das Geschlecht der Comicfigur lässt sich in beiden Fällen nicht bestimmen und ist somit neutral.



Katze_AnzugProblematischer wird es hingegen mit der Katze in dem männlichen – und damit geschlechtlich kodierten – Anzug. Die Büroarbeit, die hier wohl symbolisiert werden soll, ist damit ziemlich eindeutig einem Geschlecht zugeordnet und lässt eher auf den Manager schließen und nicht auf das Berufsfeld Management/Office.


Katze_KarateFragezeichen wirft auch die Katze im Karateanzug auf. Karate als das neue, aufstrebende Berufsbild? Karate zur Entspannung in der Managementebene? Die asiatische Form der Ellbogentechnik?

Laut SPÖ Wien sind die unterschiedlichen Berufe per Zufall ausgewählt worden. Dargestellt wird damit, so die SPÖ, „dass in Wien eine große Palette an verschiedensten Berufen erlernt werden kann“. Hätte ich bereits als Kind gewusst, dass Karate ein möglicher Beruf ist, würde ich weder studieren noch in einem Office arbeiten!

Alle_Katzen

Doch warum ausgerechnet Katzen? Die SPÖ Wien hält sich bei der Beantwortung der Frage ziemlich bedeckt und gibt nur an, dass die zuständige Werbeagentur – die natürlich nicht genannt wird – dafür verantwortlich ist. Betont wird allerdings der innovative Zugang; doch warum dieser Zugang als innovativ zu bezeichnen ist, wird ebenfalls nicht verraten.
Spannend ist der Abschlusssatz in dem Mail, das mir die SPÖ geschickt hat: „Allerdings möchten wir in diesem Zusammenhang betonen, dass an aller erster Stelle unserer Aktivitäten der Dialog mit den Wienerinnen und Wienern steht.“ Wenn Dialog für die SPÖ ausweichende Antworten auf harmlose Fragen ist, erfüllen sie ihre eigenen Anforderungen mit Perfektion. Ansonsten empfehle ich ihnen die Katzen-Sujets und vor allem die dahinter steckenden Berufe zu überdenken. Vielleicht gibt ihnen ja auch die anonyme Werbeagentur ein Tipp dazu…

Samstag, 7. Mai 2011

...

Warum?
Ich habe sier geküsst.
Warum?
Ich habe sier geküsst?!?
Warum?
Ich habe sier geküsst.
Ganz einfach geküsst.

Elendslange Aufzugsfahrt.
Der Reiz des Verbotenem.
Etwas Neues ausprobieren.
Kosten.
Testen.
Fühlen.
Sein.

Gehauchte Versprechungen.
Gekeuchte Begeisterung.
Verlockende Berührungen.

Aufwachen. Und gehen.
Nicht bleiben müssen.

Frei sein.
Frei sein zu sprechen.
Eine Abfuhr kassieren.
Vernünftig sein.
Sich an die Spielregeln halten.

Warum?

Ich habe sier geküsst.
Bin aufgewacht.
Und bin gegangen.

Ich habe sier geküsst.
Habe mich umgedreht.
Und bin gegangen.

Ich habe sier geküsst.
Habe eine Abfuhr bekommen.
Habe mich umgedreht.
Und bin gegangen.

Sonntag, 1. Mai 2011

Dies ist mein Job. Er bestimmt mein Geschlecht.

Die hierarchische Trennung von Frauen und Männern findet sich in vielen Teilen unserer Gesellschaft wieder. Ob es sich um das Objekt Frau am Werbeplakat oder das Subjekt Mann handelt, das sich in Gesprächen nicht unterbrechen lässt. Am auffallendsten zeigt sie sich der Unterschied bei der Berufswahl, dem Ansehen des Berufes und beim Gehalt. Den Entstehungsbedingungen dieser gravierenden Unterschiede ist Isolde Albrecht in ihrem 2008 erschienenen Buch „Sprache, Arbeit und geschlechtliche Identität“ auf die Spur gegangen.

Die Dominanz männlicher Berufsbezeichnungen schreibt Albrecht dem juristischen Gebrauch von männlichen Namen zu, der die Frau subsumiert, wodurch Frauen nicht als eigenständige Personen, sondern als vom Mann abgeleitete Objekte gesehen werden. Die Trennung zwischen der öffentlichen und der privaten Sphäre führt zudem dazu, dass die Tätigkeiten von Frauen immer nur von außen – durch den Blick der Öffentlichkeit – betrachtet werden. Verschärft wird dieser Blick durch die Tatsache, dass Bildung und wissenschaftliche Tätigkeit Männerdomänen darstellen. Theologen, Juristen und Pädagogen blicken von außen auf die Tätigkeiten von Frauen, analysieren diese und schreiben ihnen nur helfende, zuarbeitende und unterstützende Aktionsfelder zu.
Diese Beschreibungen haben nach Albrecht zur Folge, dass bestimmte Assoziationsketten mit Berufen in Verbindung gebracht werden. Mit dem Beruf der Technikerin/des Technikers werden zum Beispiel Verben wie planen, konstruieren, bauen in Verbindung gebracht. Dies zeigt sich auch bei „typischen Frauenberufen“, denen Assoziationsketten wie helfen, versorgen, pflegen – Worte aus dem Assoziationsbereich Mutter – anhängen. Der jeweilige Kontext, der individuelle Wortschatz und sprachliche Normen sorgen dafür, dass „Frauenberufe“ entwertet und als nicht so wichtig wie die des Mannes gesehen werden.

In einem weiteren Schritt analysiert Albrecht zwei Berufsfelder, die unterschiedlich geschlechtlich konnotiert sind. Das Berufsfeld Technik assoziiert die Wörter planen, konstruieren, herstellen, reparieren. Es sind dies Tätigkeiten, die männlich konnotiert sind. Das Tun der Arbeit wird in den Vordergrund gerückt und mit Fachvokabular ergänzend beschrieben. In den Beschreibungen wird genau aufgezeigt, was eine Person tun muss, die diesen Beruf ergreift. Anders verhält es sich mit dem Berufsfeld Sozialarbeit und Heilpflege. Die Beschreibungen dieser Berufsgruppe sind äußerst diffus und werden vor allem durch Worte wie pflegen, kümmern und sorgen dominiert. Die genauen Tätigkeiten, die anfallen, werden nicht näher beschrieben. Die Sprache bleibt in Alltagsfloskeln behaftet.
Die Berufsbeschreibungen folgen konventionellen Bedeutungen. Obwohl in allen Beschreibungen versucht wird gendersensibel zu formulieren und die Geschlechter Frau und Mann zu erwähnen, entwickeln die Texte eine stereotype Beschreibung beider Berufsgruppen.

Albrechts Analyse der historischen Bedingungen ist zielführend und regt zu weiteren Auseinandersetzungen mit der Materie an. Anhand der von ihr aufgestellten Thesen bietet sie ein Fundament, mit dem moderne Arbeitsbedingungen beleuchtet und hinterfragt werden können. Fragwürdig ist jedoch die Geschlechterbinarität, die Albrecht selbst in ihrem Text aufstellt. Bei der Beschreibung des Dipl.Ing.(FH) bemängelt sie die fehlenden sozialen Kompetenzen, die heutzutage als wichtig erachtet werden. Ihre Analyse strotzt vor Aufzählungen binärer Oppositionen und beim Lesen entsteht der Eindruck, dass ein simpler Vokabeltausch – ein bisschen mehr Rationalität für HeilpflegerInnen, ein Stückchen soziale Kompetenz für die TechnikerInnen – das Problem der Geschlechterbinarität und –hierarchisierung beseitigen könnten. Albrecht regt dazu an, eine Umformulierung der Berufsbeschreibungen anzustreben, liefert dafür aber weder Beispiele noch konkrete Angaben. Zudem ist Albrechts Sprache sperrig und verliert sich in wissenschaftlichem Fachvokabular. Das ist für den Prozess der Umsetzung hinderlich und regt nicht zur Weitergabe des Textes an jene Stellen, wie das AMS, das für Berufsbeschreibungen zuständig ist, an.

Quelle Albrecht, Isolde: Sprache, Arbeit und geschlechtliche Identität. Wie moderne Arbeitsbegriffe alte Geschlechtslogiken transportieren. Eine sprachgeschichtliche und psychologische Studie. Bielefeld: transcript, 2008. Hier: S. 317-358.

Donnerstag, 28. April 2011

Menstruationsbeschwerden

Ich verspüre einen dumpfen Schmerz. Er sitzt in meinem Unterleib. Ich spüre richtig, wie sich meine Gebärmutter zusammenkrampft. Der dumpfe Schmerz sitzt ganz tief in meinem Bauch. Er beeinflusst meine Verdauung, mein Wohlbefinden und meinen Energiehaushalt. Der Schmerz ist bei mir so extrem, dass ich ohne Schmerztablette nicht aufrecht sitzen kann.

Jeden Monat muss ich zu Schmerztabletten greifen und jedesmal stolpere ich beim lesen der Packungsbeilage über ein Wort: Menstruationsbeschwerden.
Die Packungsbeilige spricht von
  • Kopschmerzen
  • Rücken-, Zahn-, Muskel-, Gelenksschmerzen
  • Menstruationsbeschwerden
  • Schmerzen bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten
Quelle: Dismenol Ibuprofen 400mg

Schmerzen die Gelenke, der Rücken oder die Zähne, so werden die Schmerzen als solche wahrgenommen und auch benannt. Die Schmerzen in meinem Uterus jedoch werden unter Menstruationsbeschwerden abgetan. Warum heißt es nicht auch Rückenbeschwerden? Oder Zahnbeschwerden? Warum wird mein Gebärmutterschmerz nicht wahrgenommen?

Eine mögliche Ursache liegt in der Tabuisierung der Menstruation. Über die Regel spricht frau nicht und wenn doch, so erwähnt sie keine Schmerzen. Wie im 19. Jahrhundert geschieht die Menstruation noch immer im stillen Kämmerlein. Tampons und Binden werden im Einkaufskorb ganz unten versteckt. Alles muss sauber, still und heimlich erledigt werden. Die Regel muss möglichst diskret und unauffällig abgehandelt werden. "Ich habe meine Tage" oder ein verschähmtes "Nein, schwimmen kann ich gerade nicht gehen" wird da geflüstert. Andere Metaphern wie "Die rote Tante ist zu Besuch" ziehen die Menstruation ins Lächerliche und verniedlichen die blutige Tatsache.
Die Regel zu haben ist jedoch eine blutige, manchmal schmerzhafte Angelegenheit. Sie ist vor allem keine Beschwerde, unter der ich leide, sondern ein dumpfer, schmerzhafter Krampf und sollte auch als solche wahrgenommen und bezeichnet werden.

Sonntag, 24. April 2011

Der leise Tod

Marlen Haushofers bekanntestes Werk "Die Wand" ist schon mehrmals besprochen worden. Hat sich dabei aber schon einmal jemand über die Geräusche in diesem Buch Gedanken gemacht? Ich schätze nicht und werde es daher hier versuchen.

In "Die Wand" spielen Geräusche eine zentrale Rolle. Das Rauschen des Windes, der tropfende Regen, Sturm, Gewitter, das Bellen des Hundes, etc. All diese Geräusche werden aufgeschrieben, analysiert und gedeutet. Für das Überleben der Protagonistin sind sie lebenswichtig. Regen bedeutet Wachstum, genauso wie Sonnenschein. Ein Sturm kann die Jagdhütte zerstören oder die Bohnen umknicken. Bellt der Hund, so könnte Gefahr drohen und das Schnurren der Katze sorgt für Beruhigung. Da alle menschlich erzeugten Geräusche wegfallen, ist die Protagonistin auf die Geräusche ihrer Tiere und die der Natur abhängig. Die Wand sorgt nicht nur für eine Abschirmung von der Welt, sondern auch für einen kompletten Geräuschstillstand.

Die zentrale Szene jedoch, die die Protagonistin Stier und den Hund verlieren lässt, geschieht in Stille:
Gegen fünf Uhr erreichte ich die Alm. Plötzlich, ich konnte die Hütte noch gar nicht richtig sehen, stutzte Luchs und rannte dann mit wütendem Gebell über die Wiese. Ich hatte ihn noch nie auf diese Weise bellen gehört, grollend und haßerfüllt. Ich wußte sofort, daß etwas Schreckliches geschehen war. Als die Hütte mir nicht mehr die Sicht verdeckte, sah ich es. Ein Mensch, ein fremder Mann stand auf der Weide, und vor ihm lag Stier. Ich konnte sehen, daß er tot war, ein riesiger graubrauner Hügel. Luchs sprang den Mann an und schnappte nach seiner Kehle. Ich pfiff ihn gellend zurück, und er gehorchte und blieb grollend und mit gesträubtem Fell vor dem Fremden stehen. Ich stürzte in die Hütte und riß das Gewehr von der Wand. Es dauerte ein paar Sekunden, aber diese paar Sekunden kosteten Luchs das Leben. Warum konnte ich nicht schneller laufen? Noch während ich auf die Wiese rannte, sah ich das Aufblitzen des Beils und hörte es dumpf auf Luchs' Schädel aufschlagen.
(Marlen Haushofer: Die Wand. Berlin: List, 2010. S. 272)

Die einzigen Geräusche sind das Bellen des Hundes, der Pfiff und der dumpfe Aufschlag des Beils. Die restlichen Töne werden komplett ausgeblendet und dringen nicht in die Wahrnehmung der Protagonistin ein. Die Welt der Protagonistin versinkt im Schweigen angesichts dieser Tragödie.
Interessant ist auch, dass im Roman diese Tragödie immer wieder angedeutet wird. Die Auswirkungen sind viel heftiger als die oben zitierte Szene vermuten lässt, die aufgrund ihrer Knappheit und Stille sich vom restlichen Text abhebt.

Sonntag, 17. April 2011

Let's play a game

Stellen Sie sich vor, Sie erhalten eine Postkarte. Auf dem Bild sehen Sie Wasser. Die Nachricht stammt von einer anonymen Person, die Sie um Hilfe bittet. Der einzige Hinweis ist der Link zu einem YouTube Video. Sie besuchen diese Seite und schon sind Sie mittendrin – in einem Spiel. Einem Spiel, in dem knifflige Rätsel auf Sie warten und dessen eigentliches Ziel die Vermarktung eines Produkts ist.

Ein Alternat Reality Game, kurz ARG, macht diese Kombination möglich. Der Einstieg in das Spiel erfolgt durch ein Rabbithole. Wie das Kaninchen in Alice in Wonderland lotsen verschiedene Medien die SpielerInnen in den Anfang der Story hinein. Diese Medien finden sich einerseits in der Realität – z.B. eine Postkarte, Flaschenpost oder ein Brief, der irgendwo versteckt ist – und andererseits im Internet – z.B. Twitter, Facebook, Blogs, YouTube. Die Rätsel, die die SpielerInnen erwarten, sind alleine meist nicht lösbar und rasch entwickelt sich eine Community, die gemeinsam auf Hinweissuche geht und die Rätsel löst. Das Leitmotiv von ARGs ist „This is not a game!“ Das bedeutet, dass die Grenze zwischen Realität und Fiktionalität – das heißt die zwischen dem realen Leben der SpielerInnen und der fiktionalen Story - fließend ist und bewusst vermischt wird.
Die wesentliche Figur in diesem Spiel ist der Puppet Master, die/der im Hintergrund agiert und die Fäden in der Hand hält. Sie/Er hat zumeist das Spiel mit all seinen Rätseln konzipiert und hat die Aufgabe die Teilnahme zu überwachen und gegebenenfalls in die richtige Richtung zu lenken. Da die Rätsel einen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrad haben und im Vorhinein nicht festgestellt werden kann wie die Community auf das Spiel reagiert, muss der Puppet Master immer ein Auge auf die TeilnehmerInnen haben.

ARGs sind vor allem im angloamerikanischen Raum schon recht bekannt. Bekannte Firmen wie Audi und McDonalds haben diese neue Form des Marketings bereits eingesetzt. In Österreich fand 2009 das erste ARG statt, „The Vienna Project – The Vanished Agent“. Dieses diente jedoch nicht vorrangig zur Vermarktung eines Produkts oder einer Firma.
Für Marketing-Zwecke hat es zum ersten Mal Absolvent des Studiengangs Kommunikationsmanagement Mag.(FH) Richard Pyrker eingesetzt. Gemeinsam mit Andreas Wochenalt, MA von Demner, Merlicek & Bergmann hat Richard Pyrker das ARG „DasBuch2011“ konzipiert, hinter dem die Mineralwassermarke Vöslauer steckt. Ziel und damit Höhepunkt des ARG war die Premiere des neuen Vöslauer-Films. Die Rahmenhandlung des Spiels baute auf den Film auf, der von einer jungen Autorin erzählt, die eine Kabane im Thermalbad Vöslau bezieht um ein Buch zu schreiben. Während ihres Aufenthalts begegnet die Autorin einer jungen Frau, die auch auf jahrzehntealten Fotos zu sehen ist. Diese Frau scheint scheinbar nicht zu altern – wer jung bleiben will, muss früh damit anfangen und dazu Vöslauer trinken. Hintergrundinfos zu dem Spiel, nähere Infos zur Kampagne an sich, Rückmeldungen der SpielerInnen und Infos zu ARGs finden sich auf der offiziellen Seite des Puppet Masters.

Insgesamt 166 Likes (Stand: 21.04.2011) hat die Page auf Facebook erreicht, unzählige Twitter Meldungen wurden zu dieser kreativen Marketingkampagne geschrieben. Vöslauer-Marketingleiterin Birgit Aichinger spricht im Café Puls Interview davon, wie wichtig es ist KundInnen zu involvieren und freut sich begeistert, dass „die Leute sehr leidenschaftlich mit dabei“ waren. „Eine verspielte Marketing-Kampagne der etwas anderen Art“ nennt es Franz Zeller in der Ö1 Sendung Digital.Leben.
Mit großem Enthusiasmus könnten ARGs als ein Zukunftsmodell des modernen Marketing gesehen werden. Besonders die Einbindung von Social Medial in Kombination mit der Herausbildung einer Community scheint zielführend zu sein – vorausgesetzt diese Community greift zur Gehirnerfrischung nach einem schweren Rätsel nicht zu einer Römerquelle Flasche. Diese Problematik sieht Richard Pyrker jedoch nicht. In Einzelinterwies, so der Puppet Master, zeigen sich die TeilnehmerInnen begeistert über das Spiel und die dahinter stehende Marke Vöslauer. Besonders der „Word-of-Mouth“-Effekt kommt bei dieser Form des Marketings wesentlich zu tragen. Die SpielerInnen erzählen gerne von ihren Erlebnissen und tragen so die Kampagne in ihr näheres Umfeld. Da, wie bei nahezu jedem Spiel, der Gewinn oder die große Belohnung am Schluss einen wesentlichen Aspekt ausmacht, wird nicht nur über das Spiel an sich berichtet, sondern auch über den Vöslauer-Film. Die Marke schwingt also bei jeder Erzählung weiter mit. Richard Pyrker meint dazu: „Dem Kunden Vöslauer konnten wir einen sehr umfassenden Report mit zahllosen Social Media-Clippings, Online-Statistiken und Presseberichten vorlegen.“
Auffallend ist, dass die Kampagne an sich sehr viel Resonanz erhält. Die neue Form, die in Österreich bis dato relativ unbekannt war, interessiert nicht nur Marketing- und Kommunikationsmenschen, sondern auch ein breites Publikum. Dass dieses Spiel einer Marketing-Kampagne dient, wird meist nur beiläufig erwähnt. Die Marke schwingt zwar wie bei den „Word-of-Mouth“ Erzählungen mit, spannend ist aber nur die Community mit ihren Spielerfolgen. Dies war auch das Hauptziel des ARG. Doch was macht Vöslauer jetzt mit dieser Community? Das Potential diese Community noch stärker an die Marke zu binden wäre durchaus vorhanden. Durch die hohe Awareness könnte eine noch breite Community entstehen, da viele Menschen auf das Spiel neugierig gemacht worden sind. Die Frage ist nur, ob Vöslauer auch dieses Potential erkannt hat, oder ob sich die Marketingverantwortlichen nun mit den Clippings im Thermalbad Vöslau zurückziehen und an ihrer ewigen Jugend arbeiten.

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